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Wo viel Gefühl ist, da ist auch viel Leid.

Wo viel Gefühl ist, da ist auch viel Leid.
Foto: CC0

Diesen Satz prägte Leonardo da Vinci, einer der kreativsten Menschen und berühmtesten Universalgelehrten aller Zeiten. Und diese Aussage kommt nicht von ungefähr. In seinem Leben musste er schon früh erfahren, was es heißt, ohne die leibliche Mutter aufzuwachsen. Der Erzählung nach, ist er ab dem 5. Lebensjahr bei der neuen Familie seines Vaters großgeworden. Auch die Mutter hatte sich anders orientiert und Kinder mit einem anderen Mann auf die Welt gebracht. 12 Halbgeschwister, Vater, Mutter, 1 Stiefvater und 4 Stiefmütter hatten entsprechende Spuren hinterlassen: Patchwork im Äußeren wie im Innern. Gefühle bleiben da nicht außen vor: „Wo viel Gefühl ist, da ist auch viel Leid.“

 

Polarität

 

Denn wo Menschen sind, da „menschelt“ es. Gemeinschaft schafft nicht nur Nähe, Wärme, Sicherheit, Zugehörigkeit, Geborgenheit und Verständnis, sondern häufig auch genau das Gegenteil von allem: Distanz, Kälte, Verunsicherung, Ausschließendes, Ungeschütztheit und Unverständnis. So wie das Dazugehören, wohltuende Gefühle auslösen kann, so entstehen beim Gegenteil dessen, Eindrücke unangenehmer Art. Diese Zweiwertigkeit (Polarität) sorgt für Grenzen, zeigt Gegensätze auf, schafft allerdings auch Klarheit. Immer nur einseitiger Sonnenschein, schwer vorzustellen, vielleicht auf Dauer auch gar nicht so erträglich. Andauerndes Leid scheint ebenso unerträglich zu sein. Offensichtlich strebt das Einseitige nach Balance, nach Ausgeglichenheit, um integrierbar zu sein.

 

Regulation

 

Jegliche Gefühle sind daher wichtig. Sie können Regulatoren für das Zusammenleben sein. Sie liefern Informationen darüber, wie der Zustand des Zusammenseins ist. Wie geht es dem Einzelnen gerade? Was macht das Gegenüber? Gibt es einen Zusammenhalt? Gehöre ich (noch) dazu? Dies hat sich in der Evolutionsgeschichte des Menschen als wichtig herausgestellt. Ohne Gruppe, fast kein Überleben. Heute zeigen sich zwar in der modernen Industriegesellschaft auch andere Wege. Der Preis dafür? Die Folgen davon? Darf jeder für sich individuell abwägen. Auch im Altertum und im frühen Mittelalter gab es bereits Formen von Solitärleben. Auch hierzu gibt es Perspektiven des Betrachtens. Die genetischen Spuren der Notwendigkeit eines Zusammenlebens sind jedenfalls nach wie vor in jedem Menschen zu finden. Es liegt am Einzelnen, sie für sich nutzbar zu machen.

 

Kehrseite

 

„Wo viel Gefühl ist, da ist auch viel Leid.“ Dies stellt deshalb lediglich die Kehrseite der Medaille dar. Sicher ist es kein Plädoyer dafür, Gefühle abzuschaffen oder zu unterdrücken. Auch lässt sich in der Vermeidung des Leids, durch das Abspalten von Gefühlen im Sinne besonders „hart“ oder „kalt“ sein zu müssen, kein erfolgversprechendes Muster erkennen. Wohin dies führen kann, ist in manchen Bereichen der industrialisierten und ökonomisierten Welt deutlich an den Folgen zu erkennen: Ausbeutung, Unterdrückung, Verachtung, Verhöhnung und Kommerzialisierung von Leben.

 

Botschaften

 

Gefühle sind und bleiben wichtige Botschafter. Sie enthalten Informationen. Oftmals müssen sie entschlüsselt werden. Nicht jede kommt im Klartext an. Gefühle zu missachten, hieße den diplomatischen Dienst im Menschen abzuschalten. Kompromisse wären dann schwer vorstellbar. Annäherungsversuche ebenso. Verzeihen sich selbst und anderen genauso. Ellbogenkämpfe und Kämpfe noch viel schlimmerer Art unabwendbar. Puh. Lieber Gefühle zulassen. Nicht davor flüchten. Lieber der Angst vor Gefühlen begegnen. Diese lässt sich überwinden. Denn die Angst kann weniger werden im menschlichen Miteinander, wo Beschämung des anderen keinen Platz hat, wo Veränderung begrüßt wird. „Wo viel Gefühl ist, da ist auch viel Leid“, aber auch viel Freud, müsste man deshalb unbedingt ergänzen.

 

Vertrauen

 

Viele, viele Gefühle nicht nur einseitiger Art, wünscht Ihnen von Herzen das Team der Praxis für Psychotherapie, Barbara Schlemmer, Diplom Psychologin und Andreas Schlemmer, Heilpraktiker für Psychotherapie. Damit das Leben nicht einseitig bleibt. Es strebt aus sich heraus nach Ausgleich. Alle biologischen Systeme sind selbstregulatorisch und auf Energieaufnahme (Impulse) von außen eingerichtet. Die Angst vor leidvollen Gefühlen lässt sich durch ein Vertrauen ins Leben überwinden. Darauf darf man sich verlassen.