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Weihnachtsgedanken

Weihnachten
Foto: CC0

Chance oder Krise

 

Fühlt man sich (noch) religiös verbunden und ist auch das Familienleben weitgehend in Takt, kann Weihnachten ein sehr schönes Fest sein und einen Höhepunkt am Ende des Jahres einnehmen. Zusammenhalt, Gemeinschaft, Geborgenheit und Wärme, vielleicht auch spürbare Liebe und Zugehörigkeit lassen das Gefühl aufkommen, in dieser schnelllebigen und ökonomisierten Welt doch nicht verlorengegangen zu sein. Menschlichkeit, trotz „time is money“ und ähnlichen Gedankengängen.

 

Vorsorge

 

Jeder ahnt wohl oder spürt es vielleicht schon, dass Gewinn, Reichtum, Macht und Erfolg der modernen Welt, für den einzelnen Menschen wohl nicht von ewiger Dauer sein werden. Sie zu genießen, kann dennoch verlockend sein und erfüllend, in den Augenblicken, in der sie einem in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Sich dem hinzugeben, tut gut. Warum auch nicht. Aber Vorsorge zu treffen, wenn diese Säulen einmal einknicken sollten, kann wohl auch nichts schaden. Man ahnt oder spürt ja, weshalb und warum.

 

Ursprung

 

Weihnachten ist doch eine gute Gelegenheit, einmal in ruhigen Momenten darüber nachzudenken. Natürlich ist der Ursprung des Festes religiöser Natur. Das wissen viele. Und jeder, dem die religiöse Bedeutung wichtig ist, kann für sich sicher mit diesem Fest umgehen. Was aber ist mit den Menschen, denen dieser Zugang nicht oder nicht mehr möglich ist? Soll da Weihnachten einfach so vorüberrauschen und weiter geht’s wie bisher? „The same procedure as last year, as every year“ - das gleiche Verfahren wie letztes Jahr, wie jedes Jahr?

 

Botschaft

 

Es wäre schade, denn die Weihnachtsbotschaft ist eine schöne und lebenswichtige. Auch wenn man Weihnachten nicht religiös sehen kann, lohnt es, die Botschaft zu entziffern. Am leichtesten ist es in diesem Fall, wenn man versucht, die Worte von ihrer möglichen Bedeutung her zu verstehen. Weihnacht: Zwei zusammengesetzte Wörter, „Weihe“, „Nacht“, hinter denen sich eine Menge an Information verbirgt. Weihen oder segnen tue ich etwas, was mir heilig ist. Könnte man so sagen. Kulturübergreifend. Aber manch einer kann damit dennoch nichts anfangen. Diese Wörter klingen für ihn vielleicht wie aus einer Mottenkiste. Das zweite Wort  „Nacht“ kennt jeder. Dazu später mehr.

 

Untersuchung

 

Was halten Sie davon, das möglicherweise für viele altmodisch, out oder abstrakt klingende Wort „heilig“ näher zu untersuchen? Immerhin steht es ja im direkten Zusammenhang mit Weihnachten: Heilige Nacht. Vielleicht bringt es uns weiter. Heilig, im Deutschen, und die Wörter „holy“ und „whole“ im Englischen, haben die gleiche Sprachwurzel. „Holy“ bedeutet heilig und „whole“ ganz. Daraus ließe sich durchaus folgern: Heilig ist, was ganz macht. Jetzt darf ich mir sicher die persönliche Frage stellen, was mich als Mensch denn „ganz“ macht? Die Botschaften der ökonomisierten Welt, sind es ja offensichtlich nicht allein.

 

Frage

 

What makes me whole - was macht mich ganz? Vielleicht eine Zugehörigkeit zu etwas Größerem, Höherem zu erspüren? Bin ich Teil eines Ganzen? Kann ich zulassen mich als solches zu begreifen? Immerhin scheint es einem Naturgesetz gleich zu kommen, wenn man beobachtet, dass Atome sich in die Zugehörigkeit von Molekülen begeben, Moleküle sich zu Organismen verbinden und Organismen das Bestreben haben, sich ebenfalls zu verbinden. Der Mensch ist ein solcher Organismus. Sein Bestreben „ganz“ zu sein, als Teil mit dem Ganzen in Verbund zu sein, könnte ein ganz natürlicher Vorgang in der Evolution sein. Was halten Sie von dieser naturphilosophischen Argumentation. Klingt sie plausibel? Hilft sie mir weiter? What makes me whole?

 

Erkenntnis

 

Neben der religiösen Botschaft könnte sich mit dieser Erkenntnis durchaus ein Bedeutungshorizont eröffnen, für den es lohnt, ihn gerade an Weihnachten für sich zuzulassen. Weihnachten – Heilige Nacht. In dieser Nacht scheint symbolisch gesehen etwas zu geschehen, was mich als Mensch „ganz“ machen könnte. Und es geschieht in der Nacht, in der Zeit des Schlafes und der Träume. Ich brauche es also gar nicht unbedingt selbst zu „machen“. Ist ja schließlich nicht Tag. Sondern es geschieht des Nachts. Ich brauche es im Grunde nur für mich zuzulassen. Dann ließe es sich erspüren, wie es sich anfühlt, wenn etwas in mir neu werden will, das mich ganz oder heil macht.

 

Wünsche

 

Ihnen allen ein frohmachendes, heilendes Weihnachtsfest, in Liebe und mit dem Gefühl der Zugehörigkeit zum umfassenden Ganzen, wünscht Ihnen von Herzen, das Team der Praxis für Psychotherapie, Barbara Schlemmer, Dipl. Psychologin und Andreas Schlemmer, Heilpraktiker für Psychotherapie. Lassen Sie zu, neu zu werden. Manchmal geschieht es über Nacht oder auch in einer besonderen Nacht:

 

 

"Es gibt so wunderweiße Nächte,
drin alle Dinge Silber sind.
Da schimmert mancher Stern so lind,
als ob er fromme Hirten brächte
zu einem neuen Jesuskind.

Weit wie mit dichtem Diamantstaube
bestreut, erscheinen Flur und Flut,
und in die Herzen, traumgemut,
steigt ein kapellenloser Glaube,
der leise seine Wunder tut."

 

Rainer Maria Rilke
(1875-1926)

 

 

Den gesamten Text gibt es auch zum Nachhören auf diesem Video: