· 

Lockdown und kein Ende

Lockdown und kein Ende - Blogbeitrag der Praxis für Psychotherapie, Barbara Schlemmer, Dipl. Psychologin
Foto: CC0

Ganz zu, halb offen, hart, weich, ja, nein, der darf, der nicht, rauf, runter, vorwärts, rückwärts, hin, her: So schaut es aus. Seit Monaten leben wir in diesen Ungewissheiten. Und es scheint, als sei (noch) kein Ende in Sicht. Hoffen und Bangen, heiß und kalt, treffen auf Menschen so, als seien sie wechselwarme Geschöpfe. Und genauso fühlen sie sich. Sie sprechen von Gemütsschwankungen großen Ausmaßes. Für viele scheint es keinen Verlass mehr auf das zu geben, was geschieht. Auf keine Vorhersage, auf kein Gefühl darf man vertrauen, um die persönliche Zukunft vorhersehbar zu machen.

 

Existenzielle Sorgen und Einsamkeit

 

Nun könnte man sagen, man solle doch einfach in der Gegenwart leben. Auch ließe sich anraten, sich über das Kommende nicht zu viele Sorgen zu machen. Ja, könnte man sagen. Aber was nützt es den Menschen, die sich existenziell sorgen? Sie stecken mittendrin und machen sich Sorgen, ob sie das alles noch schaffen: die Ratenzahlung fürs Haus oder das gekaufte Auto, die monatliche Miete und die Nebenkosten, die Rücklage für schlechte Tage, den Arbeitsplatz, die eigene Firma, die Selbstständigkeit, die Ernährung der Familie und anderes mehr. Was nützt es Menschen zu sagen, sich nicht zu sorgen, wenn durch die Kontaktbeschränkungen die Einsamkeit immer größer zu werden droht und Sinnfragen des Lebens sich plötzlich in den Vordergrund drängen. Da kommt neben den Ängsten auch heftiger Unmut auf.

 

Gesellschaft im Schleudern

 

Wenn auch der Verstand in den meisten Fällen die Notwendigkeit von Schutzkonzepten versteht, treten doch Zweifel auf an ihrer praktischen Umsetzung. Viele spüren wie sehr das gesellschaftliche System in dieser Zeit ins Schleudern gerät. Politisch wie wirtschaftlich. Corona deckt die Schwächen vollends auf: Ellbogenmentalität mit einem Gipfel bis hin zum Rassismus. Narzissmus mit ungeahnter Machtfülle. Wörter, gesprochen wie geschrieben, die leeren Hülsen gleichzukommen scheinen. Vergötterung von Vermögen. Rationalisierungs- und Kaputtsparmaßnahmen riesigen Ausmaßes. Alles, geradezu alles muss sich einer Kosten-/Nutzenrechnung unterwerfen. Geld und Kapitalmarkt führen längst ihr Eigenleben. Menschen verkommen zu einem Kostenfaktor. Viele haben es so in ihrem Arbeitsleben erlebt oder erleben es im täglichen Leben.

 

Egoismus ablegen?

 

Und jetzt sollen sie plötzlich Verständnis für andere Menschen aufbringen? Jetzt altruistisch sein statt egoistisch? Wegen der Schreckenszahlen an Intensivversorgten und wegen horrender Todeszahlen Ellbogen wieder anlegen? Den sie schützenden Egoismus ablegen? Wo können Menschen im Erwachsenenleben sowas lernen und auch üben? In Zeiten eines personalisierten Dax, dem es mal gut und mal schlecht geht, dem Menschen an den Lippen hängen, gar nicht so einfach. Wo sind die gelebten, beachtenswerten Beispiele, denen Menschen im täglichen Leben begegnen könnten? Wer erinnert sie außerhalb einer Not, dass menschliche Befindlichkeit möglicherweise doch bedeutungsvoller ist als die Gemütslage eines Dax, eines Nasdaq, eines Börsenindex, eines Stock Exchange?   

 

Wie soll es weitergehen?

 

Wenn es im Außen schwer wird solch etwas zu finden, dann, spätestens dann, sollte man Ausschau halten nach anderen Quellen. Vielleicht hilft es, einen neuen Weg auszuprobieren. Oder vielleicht fällt einem etwas ein aus längst vergessenen Zeiten. Menschen leben seit so vielen Jahren. Da müsste es doch Erfahrungswerte geben. Wie sind Menschen in früherer Zeit mit ihren Krisen umgegangen? Vergötzung, Instrumentalisierungen, Missbrauch, Verzweckungen, Not, Krieg, Epidemien, Gewalt, Unterdrückung, Rassismus, Faschismus u.a.m. gab es und gibt es seit Menschengedenken.

 

Eine Welt des Überlebens

 

Es brauchte angesichts solcher Nöte immer auch noch einer anderen Welt des Überlebens. Jenseits des Materiellen waren und sind vielfältige Welten wahrnehmbar. Sie sind nach wie vor real und im Diesseits erfahrbar. Auch für wissenschaftlich denkende Menschen der Neuzeit. Vielerlei Gedanken und Gefühle, Ahnungen und innere Stimmen weisen in ihre Richtung. Wenn es einen Anstoß in die richtige Richtung gäbe, könnte es auch heute beginnen und eine Tür wäre weit und offen. Das adventliche Lied „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ singt ein Lied davon. Jetzt müsste man die Symbole, die der Text bereithält, nur noch für sich persönlich übersetzen und ein Zugang wäre gefunden. In moderner Sprache gesagt: Dekodieren. Dechiffrieren. Und los geht es. Es muss ja nicht unbedingt ein ausgetretener Pfad sein. Vielleicht gibt es neue Wege, die sich erschließen? Kunst und Kultur stehen ebenso bereit. Wer weiß, was geschieht?

 

Innenwelten, die die Außenwelt stützen

 

Wäre doch wirklich toll, wenn es neben dem ganzen Corona-Hickhack noch was anderes geben würde: vielleicht eine Innenwelt mit unglaublich vielen angenehmen Überraschungen. Trost, Hoffnung und Zuversicht, auch Vertrauen, Wertschätzung und Zugehörigkeit sind für Menschen überlebenswichtig. Für ihren Bezug sollte man sich nicht alleine auf die Außenwelt verlassen. Wie wäre es, zweigleisig oder gar mehrgleisig zu fahren? Wäre doch eine Überlegung wert. Lassen Sie es darauf ankommen und erlauben Sie sich ruhig, die aufkommenden Gefühle und Bedürfnisse vor Ihrer Vernunft zu verantworten. Die Chancen sind nicht schlecht, dass dies gelingen mag. Aus all dem könnte dann auch eine Motivation erwachsen, wenn sie denn fehlen sollte, sich selbst und andere Menschen zu respektieren und zu schützen.

 

Gute Wünsche

 

Alles Liebe und Gute in diesen wilden Corona-Zeiten, das wünscht Ihnen von Herzen das Team der Praxis für Psychotherapie, Barbara Schlemmer, Dipl. Psychologin und Andreas Schlemmer, Heilpraktiker für Psychotherapie. Bleiben Sie gesund oder werden Sie es wieder. Denn Sie sind als Mensch wichtig, einmalig und wertvoll.