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Schöne Feiertage

Schöne Feiertage - Blogbeitrag der Praxis für Psychotherapie, Barbara Schlemmer Dipl. Psychologin
Foto: CC0

„Das sind ja mal schöne Feiertage“, hört man klagende Stimmen sagen: „Kein vernünftiges Einkaufen möglich. Und treffen kann man sich mit anderen Menschen auch nicht so, wie sonst die Jahre.“ „Ganz schön besch… ist das“, schreien andere dazwischen: „Nix mit Familie und Freunden. Und auch sonst…“ Solcher Ärger, Wut und Unverständnis prägen vielerorts die Stimmung, sobald das Thema Feiertage oder Weihnachten angesprochen wird. Man denkt zunächst an das, was nicht möglich sein wird oder im Vorfeld nicht möglich gewesen war. Das Fehlende rückt in den Vordergrund. Alleinig das Manko wird herausgehoben und verglichen mit sonst, und damit vielleicht ohne Absicht „das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.“

 

Bedürfnisse und Enttäuschungen

 

Ja, wir Menschen haben Bedürfnisse und reagieren mitunter enttäuscht, genervt, wenn diese nicht so in Erfüllung gehen wie geplant. Man gewöhnt sich halt schnell daran, dass etwas genau wie gewohnt abläuft. Die Psychologie spricht in diesem Zusammenhang auch von Habituation. Und diese Bedürfnisvorgänge haben erheblichen Einfluss auf das Geschehen im zentralen Lust- und Belohnungszentrum des Gehirns. Nucleus Accumbens, sein wissenschaftlicher Name, ist eine Hirnregion, die außerordentlich wichtig für das Überleben menschlicher Spezies ist. In einem komplexen Zusammenspiel mehrerer Hormone, hauptsächlich von Dopamin, Glutamat und Gaba, werden Lust, Belohnung und Befriedigung so reguliert, dass der Mensch beides hat, was sein Überleben sichert: Anspannung, Antrieb und andererseits Entspannung, Ruhe. Oder anders beschrieben: Energieaufnahme und zum andern Weitergabe, Energieverbrauch, Leerwerden. Dies geschieht in einem ewigen Wechselspiel.

 

Dauerstress und seine Folgen

 

Normalerweise wird dieses Hormonspiel immer wieder impulshaft angestoßen, also nicht dauerhaft und nicht im Sinne eines Gewöhnens, nämlich so wie die jeweilige Situation es erfordert. Also entweder die Aufforderung nach psychovegetativer und psychomotorischer Bewegung, um den Lebenserhalt zu sichern. Oder einer entsprechenden Ruhe, um die Hormonspeicher sich wieder füllen und die Rezeptoren, und damit auch den Menschen, sich wieder erholen zu lassen. Wenn man nun an den ganzen Stress denkt, dem Menschen in der heutigen ökonomisierten Welt ausgesetzt sind, kann man sich gut vorstellen, dass das Lust- und Belohnungszentrum (Nucleus accumbens) durcheinander geraten könnte. Denn Stress-Dauerimpulse sind streng genommen keine Impulse mehr. Sondern bewirken das Gegenteil. Sie erzeugen Stress-Permanenz. Dauerhafte Anspannung, die so nicht vorgesehen ist im Bauplan der Natur, und sich dann nicht mehr nur in natürlicher Unruhe, sondern nunmehr in Wut, Aggression und kognitivem Unverständnis äußern kann. Menschen verlangen nämlich nach Stresserlebnissen nach Ruhe, Entspannung, Freude. Sehnen sich nach einem Luftholen, einer Auszeit. Erwarten einen Tapetenwechsel und dann passiert das: Das Gewohnte ist in Gefahr. Aufgrund von Corona. Dank der Maßnahmen und Dank vielem anderen mehr.

 

Die Notwendigkeit von Feiertagen

 

Verständlich also die Wut und auch das Unverständnis. Ohne Zweifel, vulnerable (verwundbare) Menschengruppen müssen geschützt werden. Klar aber auch, dass Feiertage notwendig sind. Tage, an denen nicht gearbeitet wird, an denen man etwas für sich Schönes erleben kann. Ein jeder braucht dies. Kulturübergreifend werden daher von allen Völkern der Erde bestimmte Ereignisse gesellschaftlicher oder religiöser Art nicht nur, aber auch daher, gefeiert. Ruhe nach dem Sturm. Entspannung nach Anspannung. Emotionales nach Kognitivem. Freude nach Tristesse. Geselligkeit nach Einsamkeit. Kontakt nach Alleinsein.

 

Religiöses Fest aber auch Event

 

Weihnachten verkörpert solch ein hochsensibles Geschehen, das einerseits einen starken religiösen Bezug und Ursprung, und andererseits eine wichtige kulturelle und psychosoziale Bedeutung hat. Für die einen, ein wichtiges religiöses Fest, für andere, ein bedeutendes Event im kulturellen Sinn. Für manche aber auch lebensnotwendige Auszeit, Tapetenwechsel, Kontakt oder dergleichen. Natürlich wird eine solche Zeit wegen ihrer Notwendigkeit absolutiert und auch stark idealisiert. Da darf möglichst nichts dazwischenkommen, sonst… Dabei gerät die Wirklichkeit allerdings unter die Räder. Denn wo Menschen zusammen sind, da gibt es auch: Streitigkeiten, Familienzwist, Enttäuschungen, Disharmonie, Erinnerungen an Schmerzhaftes, Ausgeschlossen sein, Nicht-Dazugehören, nicht erwiderte Liebe und vieles andere mehr.

 

Weihnachten einmal anders sehen

 

Bei aller angesprochenen Notwendigkeit bietet die Weihnachtszeit, bieten Festtage, bietet Weihnachten an sich, aber auch die Möglichkeit, einmal zu prüfen, inwiefern es ein Anlass sein könnte für ein persönliches, innermenschliches Geschehen. Weihnachten, Festtage abseits ihrer ursprünglichen Bedeutung, auch einmal anders sehen lernen. Dann könnte vielleicht sogar etwas Neues geboren werden, was in einem zum Heil werden könnte. Den Heiland, das Heilende in sich selbst zulassen lernen durch das Geschehen einer Geburt, durch das Zulassen eines Neuwerdens, eines Werdens in sich. So könnte ein Prozess bewusst werden, der ohnehin in Menschen abläuft: das Neuwerden auf Zellebene, mit ähnlicher Konsequenz im psychischen Bereich durch das Entstehen neuer neuronaler Verbindungen. Heilung, Gesundwerdung, Neuwerdung, Menschwerdung in uns selbst. An Weihnachten, an Festtagen, vielleicht sogar ganz besonders, aber natürlich auch an vielen anderen Tagen unseres Lebens.

 

Wünsche

 

Diesen Neuwerden, nicht nur an Weihnachten, da aber ganz besonders, das wünscht Ihnen von Herzen, das Team der Praxis für Psychotherapie, Barbara Schlemmer, Dipl. Psychologin und Andreas Schlemmer, Heilpraktiker für Psychotherapie. Schöne Feiertage.