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Die verloren geglaubte Seele

Die verloren geglaubte Seele - Eine therapeutische Geschichte - Praxis für Psychotherapie, Barbara Schlemmer, Dipl. Psychologin
Foto CCO

Es war einmal eine erwachsene Frau, die sehr unglücklich war. Sie hatte das Gefühl etwas Wichtiges verloren zu haben. Sie wusste nicht mehr, wo sie eigentlich hin möchte und vieles in ihrem Leben war ihr gleichgültig geworden.

 

Die junge Frau fühlte sich so ohnmächtig und hilflos, dass sie sich eines Tages, einfach in eine Ecke ihres Zimmers setzte und weinte. Sie wollte einfach gar nichts mehr tun, und am liebsten hätte sie sich in Luft aufgelöst.

 

Plötzlich nahm sie eine Stimme wahr, die sie rief. Ganz erschrocken blickte sie sich um. Doch es war niemand da. „Ich bin hier, in dir“, sagte die Stimme und fragte: „Warum bist du so traurig?“

 

„Ich weiß nicht mehr weiter… Wer bist du?“, wollte die Frau wissen, die nun zu schluchzen aufgehört hatte.

 

„Ich bin deine Seele“, antwortete die Stimme, „ich bin hier, um dir zu helfen. Doch dazu brauche ich deine Hilfe.“

 

„Sieh her“, begann die Seele zu erklären, „du möchtest wissen, wie es weitergeht, und ich weiß es. Es ist nur so, dass ich es dir nur sagen kann, wenn du erlaubst, dass wir zusammen arbeiten.“

 

„Tun wir das nicht?“, fragte die Frau erstaunt.

 

„Nun, nicht ganz. Irgendwann in deinem Leben, hast du angefangen dir zu wünschen, dass du alles unter Kontrolle hast. Damit du Erlebnisse, die dich verletzt haben, nicht noch einmal so oder ähnlich erleben musst.

 

Und irgendwann zu diesem Zeitpunkt hast du mich weggeschickt. Je mehr du alles unter Kontrolle haben wolltest, desto mehr musste ich mich zurückziehen. Denn ich mache manchmal verrückte Sachen oder bringe dich an Orte, die dir erstmal gar nicht gefallen. Wo es aber etwas Tolles zu entdecken gibt. Weil du das aber nicht mehr wolltest, ich dich aber so sehr mag, wie du es dir gar nicht vorstellen kannst, hab ich mich zurückgezogen.“

 

„Wirklich? Ich habe das gar nicht gemerkt.“, sagte die Frau.

 

Die Seele antwortete: „Ja, du hattest es nicht bemerkt. Aber nun spürst du, dass dir etwas fehlt.“

 

„Das stimmt. Was kann ich denn nun tun?“, fragte die junge Frau.

 

„Lass mich ans Steuerrad. Lass zu, dass ich lenke. Hab keine Angst, ich weiß wohin es gehen soll. Lass den Wunsch, alles unter Kontrolle zu haben, los und erkenne, dass es ein Irrtum war, dir dies zu wünschen, “ antwortete ihre Seele.

 

„Ich bin immer für dich da“, fuhr sie fort, „und pass auf dich auf. Wenn du es mir erlaubst, dich zu leiten, brauchst du vor nichts mehr Angst zu haben. Vor allem nicht davor, verletzt zu werden. Denn ich weiß, wie man schützt und heilt. Nichts wird dir wirklich etwas anhaben können, wenn du mir vertraust. Ich werde dir Geheimnisse des Lebens offenbaren und zeigen, wie du Glück und Liebe findest.“

 

Ein bisher unbekanntes, wohliges Kribbeln durchfuhr den Körper der Frau, deren Tränen nun getrocknet waren. „Ja“, sagte sie nun zu ihrer Seele, „ich möchte das. Ich erlaube dir, mich zu leiten und zu führen.“ Daraufhin wurde das Kribbeln immer stärker und so belebend, dass sich die Frau nun nicht mehr schwach und hilflos fühlte, sondern mehr und mehr stark und kraftvoll.

 

„Spürst du? Da bin ich. Zusammen sind wir stark. Mit mir bist du nicht mehr klein, sondern groß. Zusammen können wir alles schaffen!“

 

Da schossen der Frau heftige Tränen in die Augen. Doch es waren keine Tränen der Trauer, sondern Tränen der Freude. Sie fing an, ganz laut zu lachen und ganz vorsichtig sich zu bewegen, bis sie schließlich durch den ganzen Raum tanzte und dabei lachte und Freudentränen weinte. Sie feierte die Rückkehr ihrer Seele.

 

(Märchenhafte Geschichte, frei nacherzählt nach „Garten der Seele“)