Morgen bin ich ein Löwe - Wie ich die Schizophrenie besiegte
Morgen bin ich ein Löwe - Wie ich die Schizophrenie besiegte (Arnhild Lauveng, München, 2008)
Kein leichtes Unterfangen. Die Autorin beschreibt wie es ihr trotzdem gelingen konnte. Ein mühsamer, nicht selbstbestimmter, passiver Weg sei es zunächst gewesen: Denn „Früher verbrachte ich meine Tage als Schaf,“ schreibt sie zu Beginn. Gemeinsam mit anderen Betroffenen sei sie in den vielen Jahren Psychiatrieaufenthalt eine Getriebene, Geschorene und Zusammengepferchte gewesen. Dann eines Morgens hätte sie sich initial sagen können: „Früher verbrachte ich mein Leben als Schaf. Aber morgen bin ich ein Löwe.“ Das sei ihr zur Kehrtwende geworden.
Wie es dazu kommen konnte, wie ihr Weg begann und wie es danach weiterging, das beschreibt dieses Buch. Bereits in der Pubertät mit 14/15 Jahren seien die ersten Ansätze für die spätere ernste Gesundheitsstörung bei ihr zu erkennen gewesen: Missempfindungen, Sinnesstörungen, Auffälligkeiten im Spürsinn und festsitzende Suizidgedanken hätten darauf hingedeutet, dass sich da was zusammenbraue. Mit 17 Jahren hätte ihre Psychiatriekarriere mit stationären Aufenthalten begonnen und erst 10 Jahre später ihren Abschluss gefunden. Die Geschichte wie sie sie beschreibe, sei sicherlich keine mit allgemeiner Gültigkeit. Denn zu verschieden seien die Menschen und die Ursachen für ihre Entgleisungen.
Dennoch ist es ein Buch, das aus mehreren Gründen Mut machen kann: Sie galt als unheilbar krank und austherapiert. Dennoch gelang ihr die Gesundung. Mehr als 10 Jahre lang trug sie das gesellschaftliche Stigma einer psychischen Kranken: Ausgegrenzt. Ausgegliedert. Verrückt. Unheimlich. Sonderbar. Jahre danach wurde sie selbst zur klinischen Psychologin und steht bis heute auf der anderen Seite des psychisch Krankseins.
Mit großer Offenheit und klarer Sprache und manch poetischem Anklang, fasst sie ihr persönliches Schicksal in Worte. Spannend ihre Gedankengänge innerhalb und außerhalb ihrer psychotischen Phasen. Eine junge, kluge Frau, die aus ihrer Mitte gerät und dabei viele berechtigte Fragen an das Leben stellt und aus Verzweiflung so manche verzwickte These aufstellt.
Im Detail ist es so: Aufgeteilt hat sie ihren Bericht in die Geschichten über ihre Verwirrung, in die über das psychiatrische System und in die über ihre Veränderung. Sie klagt über abstruse Gedankengänge, angstmachende Gefühle, nebulöse Vorstellungen, seltsame Sinnesempfindungen, beklagt ihre Einsamkeit und ihre verlorene Sprache während der Zeit der Verwirrung. Wenn man ihre Erzählungen weiter verfolgt, könnte man zu der Meinung kommen, dass Psychiatrische Einrichtungen nicht mehr als eine Art von Exekutiv-Organ psychiatrischer Forschung seien. Was aber, wenn es wissenschaftlich nicht weitergehen wird? Bliebe dann alles bei den Behandlungen so wie es immer schon war? Woraus könne man dann Hoffnung schöpfen? Vielleicht aus sich selbst heraus?
Die Zeit der Veränderung hätte sich angedeutet mit der Erkenntnis: „Es ist wichtig, die Inhalte der Symptome zu deuten und ihre Bedeutung herauszukristallisieren.“ Wichtig sei es dabei zu sagen, dass die Symptome allerdings nur demjenigen gehörten, der sie hätte. Verallgemeinerungen und voreilige Schlussfolgerungen seien nicht sinnvoll. Und nur diese Person hätte das Recht auf ein Fazit. Wer dann therapeutischen Beistand finden würde, der genau dies verstehen würde, könne sich im Glück fühlen.
Kluge Worte. Bewundernswerte Wendung im Leben. Daher eine klare Leseempfehlung für alle, die sich dem Psychosen-Thema von der Innenansicht einmal nähern wollen. Es bleibt zwar als Leser auch dann nur die Perspektive der Dritten Person, da die Perspektive der Ersten Person als Gefühlsinhaberin alleinig nur der Autorin gehören darf. Aber mehr geht nicht. Es sei denn, man steckt mit eigenen Erfahrungen selbst drin.
(Taschenbuch) 221 S.